Niedergeschrieben und rekonstruiert durch Frau Skadi, Freyna des Jarls von Dros Rock, nach Gesprächen mit Aedukan, dem alten wandernden Tho’Freynur, und einer der Alten, die nach langer Zeit mit ihrer Familie zurückgekehrt ist. Diese Sage war bisher nahezu vergessen und soll künftig wieder stolz an den Feuern erzählt werden.
In einer Zeit, nachdem die Schiffe landeten und die Fünf Sippen das raue Land von Berg und Wald besiedelten, wandelte die Herrin der Wälder unter den ihr Anvertrauten. Ihr Blick fiel auf eine Kriegerin aus der Sippe Karfjelt, die sich hervortat weder durch Gestalt noch durch Kraft, doch ihr Wille war es, der der Herrin gefiel. Stark, stolz und fest. Und so erschien sie ihr und sprach in ihren Träumen.
“Sylda, geh’ hin an einen der heiligen Orte. Sprich zu denen, die sich Freyni und Tho’Freyni heißen.”
Und Sylda fragte, was sie die Weisen und Kundigen denn fragen solle. Doch die Herrin gab ihr keine Antwort. Die Kriegerin schnürte ihr Bündel und macht sich auf an einen der Orte, die sich zu jener Zeit noch über das ganze Land verteilten.
Dort angekommen, trank sie vom Wasser der Quelle, aß von den Früchten des Waldes und erfrischte ihren Geist mit der Weite des Blicks von den Berghängen und dem Rauschen der Kiefern in ihren Ohren. Erst zögerlich, später dann bereitwillig und eifrig begann ein alter Freyni ihr zu erzählen von den Wundern des Landes, von seiner Kraft und ihrem Nutzen. Und eine junge Tho’Freyni sprach über die Kinder der Herrin, über Wolf und Pan, Dryade und Frau. Und als Sylda so begann, Dinge zu sehen, wie sie sind, wurde sie unterwiesen darin, dem Land ein Schild zu sein. Und sowohl die, die die Kräfte nutzen, als auch die, die das Wort der Göttin weitertragen, prüften sie. Der Pan war das erste der Kinder, dessen Gunst sich erringen ließ, und einige Zeit darauf folgte der Wolf. So führte Sylda fortan Worte mit sich, die Macht entfalten konnten, wurden sie zur rechten Zeit an das rechte Kind der Herrin gesprochen.
Und die Gehörnte erschien ihr erneut: “Ein Schild sollst du mir sein in diesem Reich. Den Leib meiner Mutter sollst du schützen. Den Deinen sollst du mahnend ein Vorbild sein. Prüfungen werden sich deiner ermächtigen und du wirst zaudern und zagen. Doch bedenke, mein Schild sollst du sein. Stark wird der Arm sein, der den Feind schlägt. Standhaft wird das Bein sein, das auf diesem Land ruht. Heiß wird das Feuer sein, das in dir brennt im Angesicht des Todes. Und Opfer erfordern wird der Weg, den du gehst.”
Sylda sank auf ein Knie und beugte das Haupt, das sie nur vor Jarl und den Göttern senkte. In Demut und mit starkem Blick nahm sie ihre Aufgabe an und dankte der Herrin. Und sie ging zu dem besten und geschicktesten der Schildbauer, welchen sie um einen Schild bat, der Aufgabe der Herrin würdig. So wurde ihr ein Schild gebaut mit Griff aus Eberesche, dunkel wie die Nacht, und aus dem Holz einer alten Linde, älter als die Ankunft der Schiffe. Sylda selbst war es, die den Schild mit Leim bestrich, Pigment anrieb in grün und silbrig weiß und dem Schild seine Gestalt gab. Es schien ihr nur angebracht, in einem Zwiegespräch mit der Herrin ihr Zeichen zu ziehen, auf dass er sie in den Schlachten schützen möge, in denen sie der Schild sei.
Und tatsächlich trug der Schild sie durch viele Schlachten und viel Ruhm erwarb sie als Schild des Landes. Schildmaid hieß man sie. Verndarving nannte man ihr Schild. Und viele sollten ihr nachfolgen. Doch Verndarving durfte später nur tragen, wer den Segen aller Kinder erlangte und über seinen Verbleib weiß man nichts, seitdem Ermengar in der Fremde fiel.